SWR Gabetta

Freitag | 24.11.2023 | 19.30 Uhr

€39 | 35 | 29

SWR SYMPHONIEORCHESTER

Sol Gabetta Violoncello

Giovanni Antonini Leitung

ÜBER DIE KÜNSTLER:INNEN

Sol Gabetta, der Star unseres Konzertabends mit dem SWR Symphonieorchester, hat dieses Konzert im letzten Jahr in einer hochgelobten neuen Einspielung vorgelegt. Mit Giovanni Antonini und dem SWR Orchester hat sie inspirierende Partner, die einen großen, denkwürdigen Abend erwarten lassen. Schumanns Konzert, im Jahr 1850 nach seiner Berufung auf die Kapellmeisterstelle in Düsseldorf entstanden, hat in der Verwebung des Soloparts mit dem Orchester eine einzigartige Wirkung. In dieser glücklichen Zeit ist auch seine dritte Sinfonie – "die Rheinische“ - entstanden. 

Weiter auf dem Programm stehen Werke von Franz Schubert, seine „Ouvertüre Nr.2 im italienischen Stil“ und seine vierte Sinfonie. Schubert zeigt, dass er den in Wien beliebten Rossini-Stil beherrscht hat und so ist ihm eine selten zu hörende kurze, aber schmissige und wirkungsvolle Musik gelungen. Seine vierte Sinfonie in a-Moll schrieb er im Alter von 19 Jahren als er noch als Hilfslehrer an der Schule seines Vaters sein Brot verdienen musste. Er selbst gab dem Werk den Titel „Tragische“ und stellt damit auch einen Bezug zu Beethoven her. Es hat vier Sätze und ist im Bläserensemble groß besetzt – mit vier Hörnern und je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte und Trompeten.

PROGRAMM

Franz Schubert

Robert Schumann
Franz Schubert

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Ouvertüre im italienischen Stil C-Dur D 591

Cellokonzert a-Moll op. 129
Sinfonie Nr. 4 c-Moll D 417

Dinuk Wijeratne

Disappearance of Lisa Gherardini

(Auftragskomposition des Banff Centre)


Joseph Haydn

Streichquartett  C-Dur op. 20/2


Arman Gushchyan (*1981)

Neues Werk für Streichquartett


Felix Mendelssohn

Streichquartett Es-Dur op. 44/3

REZENSION

Bibbern und Zähneklappern

Mit Weltstar SoI Gabetta am Violoncello: Das SWR-Orchester spielt in Wiesloch ein hinreißendes Konzert

von Matthias Roth | Rhein-Neckar-Zeitung vom 27.11.23


Sol Gabetta und ihr Stradivarius-Cello „Bonamy Dobree-Suggia" von 1717 sind, wo immer sie gemeinsam auftreten, ein besonderes Erlebnis. Die ungewöhnliche Klangfülle des Instruments (das zuletzt der Lebensgefährtin von Pablo Casals gehörte, bevor es in eine Stiftung kam) und der leidenschaftliche Zugriff der argentinischen Musikerin bilden eine unwiderstehliche Einheit. Kommt dann noch ein ebenso aufmerksam wie detailverliebt musizierendes Orchester wie das des SWR unter der Leitung von Giovanni Antonini hinzu, ist der Abend perfekt - selbst bei nicht ganz so eingängigen Werken wie dem „Conzertstück für Violoncell mit Begl. des Orchesters", wie Robert Schumann selbst sein Cellokonzert genannt hat. Jetzt war es bei den Kunstfreunden im Wieslocher Palatin zu hören. 

Sol Gabetta formt aus diesem vielschichtigen Spätwerk ein sich organisch entwickelndes Ganzes, das trotz seiner überaus kurzen Entstehungszeit von gerade einmal 14 Tagen voll ausgereift erscheint und zu den Meisterwerken des Komponisten zählt. Wie ein Traum ziehen die ineinander übergehenden Sätze dahin. Gefühlvoll gestaltet Gabetta ihre Solostimme, ohne dabei sentimental zu werden, robust-kraftvoll geht sie in die tiefe und subtil-gesanglich bis in die hohe Lage. Ihr Instrument scheint wie von allein zu spielen, was natürlich ein Trugschluss ist, denn die Solistin artikuliert ihre Stimme bis ins kleinste Detail sehr bewusst. Sie lässt das Instrument nicht nur singen, sondern formuliert emotional hoch gespannt, fast dramatisch, aber ebenso scheinbar gelassen trällernd. Das gibt ihrem Part klangliche Vielgesichtigkeit und rasch wechselnden Charakter, der ihr Spiel ebenso überraschend wie tiefgründig macht. 

Sehr lyrisch entspannt, aber in engem Kontakt erklingt auch das Duett mit dem Solocellisten des Orchesters im langsamen Satz, heiter und im regen Austausch mit den übrigen SWR-Musikern das Finale. Die Zugabe - das langsame aus den „5 Stücken im Volkston" op. 102 - trägt Sol Gabetta in einem Arrangement zusammen mit den Cellisten des Orchesters vor und zeigt auch ihr kammermusikalisches Gespür noch einmal ganz deutlich. Eine große Künstlerin, die wiederholt in der Region zu Gast war. 

Umrahmt wird Schumann von Schubert: Mit einem Hauch Rossini überrascht die 2. „Ouvertüre im italienischen Stil" (die durchaus noch etwas italienischer, mit weniger deutscher Klebe-Artikulation in den Streichern hätte vorgetragen werden können). Die vierte Sinfonie hingegen, die „die Tragische" genannt und gelegentlich als die Schwächste unter Schuberts Orchesterwerken empfunden wird, widerspricht in der Interpretation von Giovanni Antonini allen Vorurteilen. Der Dirigent, Mitbegründer des Barock-Ensembles Il Giardino Armonico, weiß Partituren zu lesen, sie in Details zu deuten: Das Werk des 19-Jährigen entstand im April 1816. Damals ordnete nicht nur der Wiener Kongress, nach Napoleons Kriegen die europäische Landkarte neu, es war zudem ein fürchterlich kalter, schneereicher Winter vorüber - und der Frühling wollte nicht kommen: Einem Vulkanausbruch in Indonesien folgte eine weltweite Klimakatastrophe mit Hungersnöten und sozialen Unruhen, die weit in die Zukunft reichten. Als „Jahr ohne Sommer", mit Schneefall bis in den Juli, ist 1816 in die Geschichte eingegangen, und die Gewalt der Natur hatte existenzielle Folgen in vielen Lebensbereichen. Hört man Schuberts Vierte vor diesem eisigen Hintergrund, so ist nicht nur die langsame Einleitung plötzlich ergreifender als sonst, auch die vielen Tremoli der Streicher geben ein Bibbern und Zähneklappern wieder, das in seiner Hartnäckigkeit gar nicht so harmlos ist, wie es sonst scheint. Der f-Moll-Teil im Andante wirkt wie ein aufgerissenes Fenster im heimeligen Kaminzimmer. 

Das SWR-Orchester spielt mit reduziertem Vibrato und dadurch einem transparenten Klang, die Bläsersolisten gestalten exzellent. Das Publikum ist hingerissen.

PROGRAMM

Franz Schubert

Ouvertüre im italienischen Stil C-Dur D 591


Robert Schumann

Cellokonzert a-Moll op. 129


Franz Schubert

Sinfonie Nr. 4 c-Moll D 417

  • ÜBER DIE KÜNSTLER:INNEN

    Sol Gabetta, der Star unseres Konzertabends mit dem SWR Symphonieorchester, hat dieses Konzert im letzten Jahr in einer hochgelobten neuen Einspielung vorgelegt. Mit Giovanni Antonini und dem SWR Orchester hat sie inspirierende Partner, die einen großen, denkwürdigen Abend erwarten lassen. Schumanns Konzert, im Jahr 1850 nach seiner Berufung auf die Kapellmeisterstelle in Düsseldorf entstanden, hat in der Verwebung des Soloparts mit dem Orchester eine einzigartige Wirkung. In dieser glücklichen Zeit ist auch seine dritte Sinfonie – "die Rheinische“ - entstanden. 

    Weiter auf dem Programm stehen Werke von Franz Schubert, seine „Ouvertüre Nr.2 im italienischen Stil“ und seine vierte Sinfonie. Schubert zeigt, dass er den in Wien beliebten Rossini-Stil beherrscht hat und so ist ihm eine selten zu hörende kurze, aber schmissige und wirkungsvolle Musik gelungen. Seine vierte Sinfonie in a-Moll schrieb er im Alter von 19 Jahren als er noch als Hilfslehrer an der Schule seines Vaters sein Brot verdienen musste. Er selbst gab dem Werk den Titel „Tragische“ und stellt damit auch einen Bezug zu Beethoven her. Es hat vier Sätze und ist im Bläserensemble groß besetzt – mit vier Hörnern und je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte und Trompeten.

  • REZENSION

    Bibbern und Zähneklappern

    Mit Weltstar SoI Gabetta am Violoncello: Das SWR-Orchester spielt in Wiesloch ein hinreißendes Konzert


    Von Matthias Roth | Rhein-Neckar-Zeitung vom 27.11.23


    Sol Gabetta und ihr Stradivarius-Cello „Bonamy Dobree-Suggia" von 1717 sind, wo immer sie gemeinsam auftreten, ein besonderes Erlebnis. Die ungewöhnliche Klangfülle des Instruments (das zuletzt der Lebensgefährtin von Pablo Casals gehörte, bevor es in eine Stiftung kam) und der leidenschaftliche Zugriff der argentinischen Musikerin bilden eine unwiderstehliche Einheit. Kommt dann noch ein ebenso aufmerksam wie detailverliebt musizierendes Orchester wie das des SWR unter der Leitung von Giovanni Antonini hinzu, ist der Abend perfekt - selbst bei nicht ganz so eingängigen Werken wie dem „Conzertstück für Violoncell mit Begl. des Orchesters", wie Robert Schumann selbst sein Cellokonzert genannt hat. Jetzt war es bei den Kunstfreunden im Wieslocher Palatin zu hören. 

    Sol Gabetta formt aus diesem vielschichtigen Spätwerk ein sich organisch entwickelndes Ganzes, das trotz seiner überaus kurzen Entstehungszeit von gerade einmal 14 Tagen voll ausgereift erscheint und zu den Meisterwerken des Komponisten zählt. Wie ein Traum ziehen die ineinander übergehenden Sätze dahin. Gefühlvoll gestaltet Gabetta ihre Solostimme, ohne dabei sentimental zu werden, robust-kraftvoll geht sie in die tiefe und subtil-gesanglich bis in die hohe Lage. Ihr Instrument scheint wie von allein zu spielen, was natürlich ein Trugschluss ist, denn die Solistin artikuliert ihre Stimme bis ins kleinste Detail sehr bewusst. Sie lässt das Instrument nicht nur singen, sondern formuliert emotional hoch gespannt, fast dramatisch, aber ebenso scheinbar gelassen trällernd. Das gibt ihrem Part klangliche Vielgesichtigkeit und rasch wechselnden Charakter, der ihr Spiel ebenso überraschend wie tiefgründig macht. 

    Sehr lyrisch entspannt, aber in engem Kontakt erklingt auch das Duett mit dem Solocellisten des Orchesters im langsamen Satz, heiter und im regen Austausch mit den übrigen SWR-Musikern das Finale. Die Zugabe - das langsame aus den „5 Stücken im Volkston" op. 102 - trägt Sol Gabetta in einem Arrangement zusammen mit den Cellisten des Orchesters vor und zeigt auch ihr kammermusikalisches Gespür noch einmal ganz deutlich. Eine große Künstlerin, die wiederholt in der Region zu Gast war. 

    Umrahmt wird Schumann von Schubert: Mit einem Hauch Rossini überrascht die 2. „Ouvertüre im italienischen Stil" (die durchaus noch etwas italienischer, mit weniger deutscher Klebe-Artikulation in den Streichern hätte vorgetragen werden können). Die vierte Sinfonie hingegen, die „die Tragische" genannt und gelegentlich als die Schwächste unter Schuberts Orchesterwerken empfunden wird, widerspricht in der Interpretation von Giovanni Antonini allen Vorurteilen. Der Dirigent, Mitbegründer des Barock-Ensembles Il Giardino Armonico, weiß Partituren zu lesen, sie in Details zu deuten: Das Werk des 19-Jährigen entstand im April 1816. Damals ordnete nicht nur der Wiener Kongress, nach Napoleons Kriegen die europäische Landkarte neu, es war zudem ein fürchterlich kalter, schneereicher Winter vorüber - und der Frühling wollte nicht kommen: Einem Vulkanausbruch in Indonesien folgte eine weltweite Klimakatastrophe mit Hungersnöten und sozialen Unruhen, die weit in die Zukunft reichten. Als „Jahr ohne Sommer", mit Schneefall bis in den Juli, ist 1816 in die Geschichte eingegangen, und die Gewalt der Natur hatte existenzielle Folgen in vielen Lebensbereichen. Hört man Schuberts Vierte vor diesem eisigen Hintergrund, so ist nicht nur die langsame Einleitung plötzlich ergreifender als sonst, auch die vielen Tremoli der Streicher geben ein Bibbern und Zähneklappern wieder, das in seiner Hartnäckigkeit gar nicht so harmlos ist, wie es sonst scheint. Der f-Moll-Teil im Andante wirkt wie ein aufgerissenes Fenster im heimeligen Kaminzimmer. 

    Das SWR-Orchester spielt mit reduziertem Vibrato und dadurch einem transparenten Klang, die Bläsersolisten gestalten exzellent. Das Publikum ist hingerissen.

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